Homeoffice im Ausland: auf die Sozialversicherung achten

Arbeiten Grenzgänger regelmäßig im Homeoffice jenseits der Grenze, kann das ihre Sozialversicherung nach deutschem Recht gefährden. Je nach Umfang der Homeoffice-Tätigkeit gilt dann möglicherweise Sozialversicherungspflicht im Wohnsitzland. In bestimmten Fällen hilft eine EU-Ausnahmevereinbarung weiter. Dafür ist ein Antrag an die DVKA notwendig.

Auch bei Homeoffice im Ausland: Sozialversicherung in Deutschland

Grundsätzlich gilt: Sozialversicherungsbeiträge werden in dem Land abgeführt, in dem Beschäftigte überwiegend arbeiten. Das ist zumindest der Regelfall – es gibt viele Ausnahmen. So können Beschäftigte mit einer A1-Bescheinigung in ein anderes EU-Land entsendet werden, ohne dort umgehend sozialversicherungspflichtig zu werden.

Die Frage, welches Sozialversicherungsrecht gilt, betrifft auch Grenzgänger aus dem EU-Ausland.

  • Wer die Arbeitsstunden überwiegen beim Arbeitgeber in Deutschland und nicht im Wohnsitzstaat verbringt, ist in Deutschland sozialversicherungspflichtig.

  • Sind Arbeitnehmer, die in einem anderen Land wohnen, dagegen überwiegend im Homeoffice und damit außerhalb Deutschlands tätig, gilt für sie trotz des deutschen Arbeitgebers das Sozialversicherungsrecht des eigenen Landes.

Ob bzw. wann Beschäftigte, die in anderen EU- und EWR-Ländern wohnen und in Deutschland arbeiten, aufgrund von Homeoffice-Einsätzen aus dem deutschen Sozialversicherungssystemen herausfallen, hängt vom konkreten Wohnsitzland und vom zeitlichen Anteil der Homeoffice-Arbeit ab.

In bestimmten Fällen kann der Arbeitgeber eine Ausnahmeregelung beantragen und so die Sozialversicherungspflicht in Deutschland sicherstellen.

Sozialversichert im Beschäftigungsland trotz fast 50 Prozent Homeoffice im Wohnsitzland

Angenommen, eine Programmiererin aus Polen teilt ihre Arbeitszeiten zwischen dem Arbeitgeber in Berlin und dem Heimbüro zuhause in Słubice auf. Oder der Marketing-Experte aus Norditalien wechselt regelmäßig zwischen seinem Wohnort Verona und Frankfurt, wo der Arbeitgeber seinen Sitz hat. In solchen Fällen entscheidet der im Heimatstaat verbrachte Anteil der Arbeitszeit darüber, wo Sozialversicherungspflicht besteht.

  • Grundsätzlich gilt: Entfällt mehr als 25 Prozent der Arbeitszeit auf Telearbeit im Homeoffice außerhalb Deutschlands, sind die Beschäftigen im Wohnsitzland sozialversicherungspflichtig, in unseren Beispielen also in Polen beziehungsweise Italien. Liegt der Homeoffice-Anteil darunter, besteht Sozialversicherungspflicht in Deutschland.

  • Da diese Grenze die Möglichkeiten zur Arbeit von zuhause aus für Grenzgänger einschränkt, gibt es eine Sonderregelung. Grenzgänger aus bestimmten EU- und EWR-Ländern können auf Antrag Mitglied der deutschen Renten-, Kranken,- Pflege- und Arbeitslosenversicherung bleiben, solange die Arbeit im Homeoffice außerhalb Deutschlands weniger als 50 Prozent ihrer Arbeitszeit

Die Sonderregelung, die deutsche Sozialversicherung bei einem Homeoffice-Anteil zwischen 25 und 50 Prozent der Arbeitszeit ermöglicht, beruht auf einem Rahmenabkommen zur Anwendung des Art. 16 der EU-Verordnung VO (EG) Nr. 883/2004. Es ist zum 01. Juli 2023 in Kraft getreten.

Für wen gilt die Sonderregelung?

Die Möglichkeit ist auf die Unterzeichnerstaaten des Rahmenabkommens beschränkt. Derzeit sind das 19 von 27 EU-Staaten, 2 von 3 EWR-Staaten sowie die Schweiz. Die Sonderregelung gilt somit aktuell nur für grenzüberschreitend Homeoffice-Tätige mit Wohnsitz in Deutschland, Polen, Italien, Belgien, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Tschechien, der Schweiz, Liechtenstein, Finnland, Irland, Spanien, Kroatien, Litauen, Malta, Norwegen, Portugal, Slowenien, der Slowakei und Schweden. Die Liste der Unterzeichnerstaaten wird von der belgischen Regierung geführt, die als Verwahrstaat agiert.

Die Rahmenvereinbarung ist auf „gewöhnliche grenzüberschreitende Telearbeit“ im Homeoffice ausgerichtet. Voraussetzung für ihre Anwendung ist, dass es sich weder um eine Entsendung noch um eine Tätigkeit in mehreren Mitgliedsstaaten handelt. Wer regelmäßig in drei oder mehr EU- bzw. EWR-Staaten tätig wird, kann die Option nicht nutzen. Das gleiche gilt, wenn der Wohnort bzw. das Homeoffice in einem EU-Land liegt, der Einsatzort in einem zweiten und der Sitz des Arbeitgebers in einem dritten. Dienstreisen in ein drittes Land sind jedoch kein Problem.

Für Beschäftigte mit mehreren Arbeitgebern werden die Arbeitszeiten zusammengerechnet, um die 50-Prozent-Grenze für Telearbeit im Homeoffice zu bestimmen.

Voraussetzung für die Anwendung der Sonderregelung ist eine Vereinbarung über die Homeoffice- bzw. Telearbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Der Antrag bei der DVKA

Deutsche Arbeitgeber, die sicherstellen wollen, dass für ihre jenseits der Grenze wohnenden Arbeitnehmer trotz regelmäßigem Homeoffice weiterhin deutsches Sozialversicherungsrecht gilt, müssen für diese Beschäftigten den Abschluss einer Ausnahmevereinbarung beantragen.

In Deutschland ist dafür die DVKA zuständig. Die „Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland“ ist eine Abteilung des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen. Sie schließt auf Antrag die Ausnahmevereinbarung mit der zuständigen Stelle im Wohnsitzland ab.

Die DVKA hat eine eigene Unterseite zur Antragstellung eingerichtet. Die jeweilige Information ergibt sich aus einem Länder-Auswahlmenü. Die Anträge werden für die oben genannten Staaten digital eingereicht. Dazu kann entweder ein ITSG-zertifiziertes Lohnabrechnungsprogramm wie Paychex+ oder die amtliche „Ausfüllhilfe“ sv.net genutzt werden.

Fragen zur Antragstellung beantwortet die DVKA in einer eigenen FAQ-Sammlung. Ausfüllhinweise finden sich vor allem unter „Wie kann ein Antrag gestellt werden?“.

Bis Ende Juni 2024 können noch rückwirkende Anträge für bis zu zwölf Monate gestellt werden. Danach sind rückwirkende Anträge nur für drei Monate möglich. In beiden Fällen müssen im jeweiligen Zeitraum Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland abgeführt worden sein.

Die Ausnahmeregelung gilt für maximal drei Jahre, dann ist ein Antrag auf Verlängerung erforderlich.

Hintergrund

Der Trend zur Arbeit von zuhause aus macht nicht an den Grenzen Halt. Auch Grenzgänger arbeiten oft und gerne in den eigenen vier Wänden, statt jeden Tag zur Arbeitsstelle in Deutschland zu fahren. Das Gleiche gilt für Beschäftigte mit einem Zweitwohnsitz oder einer Ferienwohnung im Nachbarland.

Wenn das Homeoffice und der eigentliche Arbeitsplatz beziehungsweise der Sitz des Arbeitgebers in zwei verschiedenen Ländern liegen, kann das allerdings zu Problemen mit der deutschen Sozialversicherung führen.

In der Regel sind Grenzgänger, die im benachbarten Ausland wohnen und in Deutschland arbeiten, Mitglied der deutschen Rentenversicherung, Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung, ihre Sozialversicherungspflicht besteht in Deutschland als Beschäftigungsstaat. Das gilt jedoch nur, wenn der Beschäftigungsort zeitlich überwiegend in Deutschland liegt. Wird in erster Linie vom Wohnsitzland aus gearbeitet, also etwa im Homeoffice in Österreich, Frankreich, Belgien oder Tschechien, dann müssen die Sozialversicherungsbeiträge grundsätzlich dort entrichtet werden. Beträgt der ausländische Homeoffice-Anteil weniger als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit, kann für die meisten EU-Staaten die oben beschriebene Sonderregelung genutzt werden.

Sonderregelungen während Corona, dann ein Rahmenabkommen der EU

In den Corona-Jahren fanden sich viele Grenzgänger ungeplant auf Wochen hinaus im Homeoffice im Wohnsitzland wieder, nachdem sie vorher am Arbeitsplatz in Deutschland tätig waren. Um den massenhaften, ungewollten Wechsel in die ausländischen Sozialversicherungssysteme zu vermeiden, wurde damals rasch eine Sonderregelung eingeführt: ausnahmsweise blieben die Betroffenen während der Pandemie weiterhin in Deutschland sozialversichert. Grundlage waren wechselseitige Konsultationsvereinbarungen. Wir haben die damalige Rechtslage in einem eigenen Beitrag zu Grenzgängern im Homeoffice während der Pandemie dargestellt.

Da sich das Arbeiten in den eigenen vier Wänden während Corona fest etabliert hatte, blieb das Homeoffice-Problem auch nach dem Ende der Pandemie und dem Auslaufen der damaligen Sonderregelung zu Ende Juni 2023 für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer akut. Das gab den Ausschlag für das Rahmenabkommen zu einer neuen, allgemeinen Sonderregelung.

Und was gilt bei einer „Workation“?

Anders, und leider wesentlich unübersichtlicher, ist die sozialversicherungsrechtliche Situation, wenn Beschäftigte eine längere Reise unternehmen und dabei Telearbeit und Tourismus verbinden. Welche Rechtfragen bei Workation Arbeitgeber im Blick haben sollen, ist Thema eines eigenen Beitrags.

 

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