21 Jun 2024

Workation: der Arbeitsurlaub unter Palmen hat Tücken

Remote arbeiten am Tropenstrand: Workation, die Kombination von Auslandsreisen mit mobiler Arbeit, ist populär. Schließlich lässt sich so der Arbeitsort zeitweise an schöne und interessante Reiseziele verlagern. Doch das Modell hält diverse Stolperfallen für Arbeitgeber bereit.

Workation: eine attraktive Idee mit eingebauten rechtlichen Unklarheiten

Arbeiten und Urlaub, work und vacation, in Kombination – die Idee der „Workation“ ist populär. Einen Tag die neue Stadt und ihre fremde Kultur kennenlernen, den nächsten per Internet remote am Projekt weiterarbeiten. Vormittags am weißen Sandstrand, nachmittags vom Hotel-Pool aus E-Mails beantworten.

Arbeitgeber müssen viel tun, um Fachkräfte zu halten. Da fällt es schwer, den Wunsch von Beschäftigten nach einer Workation-Phase einfach abzulehnen. Und der ist sehr verbreitet. Mehr als die Hälfte der Befragten in einer PwC-Studie nannten diese Option als wichtiges Kriterium für die Job-Wahl.

Doch auch ein vorschnelles „Ja“ des Arbeitgebers ist problematisch. Selbst wenn die Arbeit per Laptop und Smartphone erledigt werden kann, müssen viele organisatorische Fragen eine Antwort finden, etwa zur Erreichbarkeit, Reaktionszeit sowie zur IT- und Datensicherheit. Dazu kommen rechtliche Herausforderungen. So müssen arbeitsrechtliche, steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Punkte geklärt werden.

Workation ist nicht auf den Jahresurlaub anrechenbar

Im deutschen Arbeitsrecht gibt es den Anspruch auf Jahresurlaub. Er muss bei einer Fünftagewoche mindestens 20 Tage umfassen. Urlaubstage müssen vom Arbeitgeber so bezahlt werden wie Arbeitstage. So steht es im Bundesurlaubsgesetz. Arbeitsverträge und Tarifvereinbarungen sorgen oft für deutlich höheren Urlaubsanspruch. Oft wird zudem Urlaubsgeld fällig, zusätzlich zum Urlaubsentgelt, d. h. dem während der Urlaubstage fortgezahlten Lohn oder Gehalt.

Workation ist dagegen im deutschen Arbeitsrecht nicht vorgesehen. Dort gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder, der Arbeitgeber gewährt Urlaub oder er tut es nicht. Zwei oder vier Wochen, in denen man ins Ausland fährt und dort reduziert arbeitet, sind aus arbeitsrechtlicher Sicht kein Urlaub. Diese Zeit ist damit nicht auf den Jahresurlaubsanspruch anrechenbar, auch nicht in Teilen. Selbst die scheinbar naheliegende Lösung, halbe Urlaubstage oder an jedem zweiten Tag Urlaub zu gewähren, ist nicht mit dem Gesetz kompatibel. „Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren“ besagt § 7 BurlG. Dort steht außerdem, dass Urlaub grundsätzlich mindestens 12 aufeinanderfolgende Werktage umfassen soll.

Urlaub zusammenhängend und als ganze Tage: diese Regel wurde zudem vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg bestätigt. Nur Urlaubstage über den gesetzlichen Mindestanspruch hinaus dürfen „als halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen“ gegeben werden. Und selbst das muss ausdrücklich so vereinbart worden sein (LAG Baden-Württemberg, 06.03.2019 - 4 Sa 73/18).

Im schlimmsten Fall führt diese Rechtslage zu folgendem Szenario: Der Arbeitgeber toleriert einen Workation-Aufenthalt, dessen freie Tage als Urlaubstage zählen sollen. Der Arbeitnehmer fährt für drei Wochen nach Florida und arbeitet nur jeden zweiten oder dritten Tag. Nach der Rückkehr wechselt er zu einem Wettbewerber – und besteht auf der Auszahlung des vollen Jahresurlaubs, weil die Workation seinen Urlaubsanspruch nicht verringert hat.

Statt Urlaub: Workation als reguläre Arbeitszeit?

Kein Konflikt mit der Rechtslage zum Urlaub ergibt sich, wenn der Workation-Aufenthalt erst gar nicht auf den Jahresurlaub angerechnet wird, sondern als Arbeitszeit zählt. Dazu verlegt der oder die Beschäftigte mit dem Einverständnis des Arbeitgebers den Tätigkeitsort vorübergehend für eine festgelegte Zeit in einen bestimmten Staat im Ausland. Eventuell darf er gleichzeitig die Arbeitszeit reduzieren, die er auch in dieser Zeit genau erfasst. Danach sagt er zu, zurückzukommen.

Diese Punkte sollten unbedingt explizit und schriftlich vereinbart werden, zusammen mit Regelungen zur Sozialversicherung, zu Steuern und anderen anfallenden Fragen wie der Erreichbarkeit, den Reaktionszeiten, die Wahrung von Firmengeheimnissen, die Einhaltung der IT-Sicherheit und des Datenschutzes.

Einen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber den Workation-Wünschen zustimmt, haben Arbeitnehmer nicht.

Sozialversicherung: A1-Bescheinigung erforderlich?

Die Workation sollte als Entsendung gestaltet werden: der Arbeitnehmer ist beruflich vorübergehend nicht im eigenen Land (sprich: Deutschland) tätig, sondern in einem anderen Staat. Damit zählt die Workation sozialrechtlich als beruflicher Auslandsaufenthalt, selbst wenn die Initiative vom Arbeitnehmer ausgeht und nicht direkt im Unternehmensinteresse liegt.

Bei jeder Entsendung muss dafür gesorgt sein, dass der oder die Beschäftigte weiter sozialversichert ist. Das ist ein großer Unterschied zu einer privaten Auslandsreise, bei der man selbst für angemessenen Schutz verantwortlich ist, etwa durch Zusatzversicherungen.

  • Führt die als Entsendung gestaltete Workation in ein Land der EU oder nach Island, Liechtenstein, Norwegen, die Schweiz oder nach Großbritannien, dann lässt sich der Sozialversicherungsschutz relativ einfach gewährleisten. Erforderlich ist eine A1-Bescheinigung. Sie sorgt dafür, dass die deutschen Krankenkasse und die gesetzliche Unfallversicherung auch die Zeit im anderen Land abdecken. A1-Bescheinigungen gelten für bis zu 24 Monate.
    Weitere Informationen liefert der Beitrag „A1-Bescheinigung bei Entsendung ins EU-Ausland“. Allerdings können A1-Bescheinigungen an der individuellen Konstellation scheitern, etwa wenn ein Mitarbeiter mit türkischer oder indischer Staatsangehörigkeit in die Schweiz entsendet wird.

  • Jenseits von EU und EWR hat Deutschland mit vielen Staaten bilaterale Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen. Eine Übersicht findet man bei der DRV. Allerdings unterscheiden sich die Abkommen in den Details sehr voneinander. Grundsätzlich sorgen auch sie dafür, dass die deutsche Sozialversicherung für eine als Entsendung gestaltete Workation gilt. Ob das auch im konkreten Fall gilt, muss nachgeprüft werden. Je nach Zielland kann der Schutz nur einzelne Versicherungszweige betreffen oder auf andere Art eingeschränkt sein.
    Auch für die sogenannten Vertragsstaaten muss eine Bescheinigung beantragt werden. Zuständig ist die DVKA, eine Abteilung des Spitzenverbands der Krankenkassen. Sie liefert auf ihren Seiten weitere Informationen.

  • Komplizierter wird es bei einer Workation im sogenannten vertragslosen Ausland, etwa auf Bali (Indonesien) oder in Cancún (Mexico). In diesen Ländern gilt in vielen Fällen die deutsche Sozialversicherung aufgrund von „Ausstrahlung“ weiter ( 4 SGB IV). Das muss jedoch für den Einzelfall festgestellt und von der zuständigen Krankenkasse als Einzugsstelle der Sozialversicherung bestätigt werden. Dafür zu sorgen, ist Sache des Arbeitgebers.

Bleibt die sozialversicherungsrechtliche Situation während der Workation unklar, drohen bei einer Erkrankung oder einem Unfall Rechtsstreitigkeiten mit dem Arbeitnehmer und den Sozialversicherungsträgern. Es kann leicht passieren, dass der Arbeitgeber für die Folgekosten aufkommen muss. Schließlich haftet er dafür, dass seine Beschäftigten auch bei einer Entsendung den Schutz der Sozialversicherung genießen.

Je nachdem, in welchen Staat die Workation führen soll, ist der Abschluss einer Auslandsreisekrankenversicherung und Rückholversicherung sehr zu empfehlen.

Steuern

Deutschland hat mit einer langen Reihe von Staaten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen. Eine Übersicht findet man beim Bundesfinanzministerium. Sie bestimmen, wann im Ausland erzieltes Einkommen dort versteuert werden muss und wann es in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt.

In aller Regel gilt steuerrechtlich eine Grenze von 183 Tagen. Bis dahin ändert ein Aufenthalt im Ausland nichts daran, dass die Lohnsteuer wie gewohnt in Deutschland abgeführt wird, solange der Wohnsitz in Deutschland bleibt.

Ein mögliches steuerliches Problem tritt auf, wenn beispielsweise eine leitende Angestellte für einige Monate im Rahmen einer Workation ins Ausland geht, dort einen Büroplatz anmietet und vor Ort möglicherweise auch noch potenzielle Geschäftspartner trifft. Damit hat das Unternehmen möglicherweise eine Betriebsstätte eröffnet und wird im anderen Land steuerpflichtig.

Bei Arbeit im Ausland gelten fremde Gesetze

Auch wenn die Beschäftigten während einer Workation nur eine Zeitlang in anderen Staaten tätig sind, und das zudem meist zeitlich eingeschränkt, unterliegen sie doch anderen Gesetzen als in Deutschland. Und das kann durchaus praktische Folgen haben, die man vorher bedenken sollte. Einige Beispiele:

  • Arbeitsrecht: Die arbeitsrechtlichen Regelungen anderer Staaten unterscheiden sich zum Teil erheblich von den deutschen Bestimmungen, etwa in Bezug auf Diskriminierungs- und Kündigungsschutz, die zulässigen Arbeitszeiten oder nationale Feiertage, an denen nicht gearbeitet werden darf. Solche Regeln können auch deutsche Beschäftigte erfassen, die nur im Rahmen eines Workation-Aufenthalts im Land sind. Die Frage, welches Arbeitsrecht Anwendung findet, wird ebenfalls akut, wenn der Beschäftigte während seiner Workation seine Pflichten klar verletzt und deshalb abgemahnt werden soll. Ist eine Abmahnung nach deutschem Recht dann überhaupt möglich?

  • Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis: Innerhalb der EU sowie in der Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island gilt Freizügigkeit. Dort muss für eine Workation keine Arbeitsgenehmigung eingeholt werden. Eine Meldepflicht kann allerdings bestehen. Für viele andere Länder gilt: wer einreist, um beruflich tätig zu sein, benötigt ein entsprechendes Visum. Wer nur ein Touristenvisum hat, darf nicht arbeiten. Zwar liegt das Hauptaugenmerk der Behörden in aller Regel auf der Verhinderung von klassischer Schwarzarbeit. Ein deutscher „Workation-Tourist“, der sich vom Hotel aus per VPN ins Unternehmensnetz seines Arbeitgebers einloggt, steht nicht unbedingt im Visier der Fahnder. Trotzdem begeht er einen Rechtsverstoß und sorgt damit potenziell für Ärger.

  • Datenschutzrecht: Die DSGVO verlangt, dass personenbezogene Daten nur innerhalb der EU und Staaten mit vergleichbarem Schutzniveau verarbeitet und gespeichert werden dürfen. Wenn die Kundenberaterin während ihrer Workation in Nordafrika Personendaten auf ihren Laptop übertragt, ist das ein DSGVO-Verstoß. Der kann teuer werden – erst recht, wenn die Informationen in falsche Hände gelangen, zum Beispiel weil das Gerät gestohlen oder das Hotel-WLAN gehackt wird.

  • Urheberrecht und andere Schutzrechte: Auch in der Beziehung unterscheiden sich die nationalen Rechtsvorschriften erheblich. Angenommen, der Software-Entwickler schreibt am Pool unter tropischer Sonne eine Software für seinen Arbeitgeber. Dieser geht selbstverständlich davon aus, dass er die vollen Rechte an dem Programm hat, so wie es das deutsche Arbeitsrecht vorsieht. Der Programmierer verweist später aber auf die abweichenden Copyright-Bestimmungen des Landes, in dem der die Codezeilen geschrieben hat, und verlangt eine Lizenzgebühr. Dann ist eine ärgerliche Auseinandersetzung mit ungewissem Ausgang garantiert.

  • Ausfall der Arbeitsleistung aufgrund von Störungen: Gerade bei Aufenthalten in weiter entfernten Regionen kann es leicht dazu kommen, dass technische Probleme, Diebstähle, Reiseunterbrechungen und andere Vorkommnisse den Zugriff aufs Unternehmensnetzwerk und damit die Arbeitsleistung verhindern. Damit stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber dieses Risiko tragen muss, und welche Gesetze darüber entscheiden – die deutschen oder die des Ziellandes. Ähnliche Probleme ergeben sich, wenn wichtige Arbeitsmittel wie das Firmen-Smartphone oder der Laptop verloren gehen.

Fazit: Es gibt viel zu regeln

Das Workation-Konzept ist für viele Beschäftigte attraktiv. Den damit verbundenen Regelungs- und Klärungsbedarf darf man jedoch nicht unterschätzen. Arbeitgeber sollten eine Vereinbarung aufsetzen, die vom Krankenversicherungsschutz bis hin zur Erfassung der Arbeitszeiten alle praktischen und rechtlichen Fragen abdeckt. Das ist mühselig – aber die Alternative wäre ein hohes juristisches Risiko mit beträchtlichem Potenzial für Ärger und Kosten.

Ein Hinweis: Bei Grenzgängern gelten eigene Regeln fürs Homeoffice

Auf den ersten Blick scheint typische Workation vergleichbar mit Beschäftigen, die in einem Nachbarland wohnen und im Homeoffice arbeiten. Für diese Gruppe gelten jedoch eigene Regelungen. Sie werden im Lohnupdate „Homeoffice im Ausland: auf die Sozialversicherung achten“ erläutert.

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