15 Jun 2023

Auch ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland kann in Deutschland Kurzarbeit beantragen!

Ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland kann in Deutschland nur dann Kurzarbeit beantragen, wenn er hier einen Betrieb oder zumindest eine Betriebsabteilung unterhält. Grundsätzlich reicht dafür ein einzelner Mitarbeiter aus. Allerdings müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen.

Kurzarbeit gibt es nicht nur für Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland!

Kurzarbeitergeld oder kurz „Kug“ ist ein bewährtes Mittel, mit dem Unternehmen schwierige geschäftliche Phasen überstehen können, ohne ihre Leute entlassen zu müssen. Seine letzte große Bewährungsprobe war die Pandemie. Auch dort hat dieses Arbeitsmarktinstrument sein Potenzial gezeigt.

Dabei steht Kurzarbeitergeld keineswegs nur Unternehmen mit Sitz in Deutschland zur Verfügung. Liegt der Sitz des Arbeitgebers im Ausland, müssen jedoch bestimmte Zusatzvoraussetzungen erfüllt sein:

  • Entscheidend ist zunächst einmal, dass die in Deutschland tätigen Mitarbeiter hier in die Sozialversicherung einzahlen. Außerdem muss für das Beschäftigungsverhältnis deutsches Recht gelten.
  • Zweitens gewährt die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld nur dann, wenn der Betrieb oder zumindest eine Betriebsabteilung in Deutschland liegt. Das kann grundsätzlich schon ab einem in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer der Fall sein. Allerdings verlangt die Agentur einen bestimmten Grad an betrieblicher Infrastruktur in Deutschland. Zum Beispiel führt es regelmäßig zu Schwierigkeiten, wenn die Beschäftigten in Deutschland nur im Homeoffice oder rein mobil arbeiten.

 

Kein Kurzarbeitergeld für skandinavischen Arbeitgeber – trotzdem ein Urteil mit Perspektive

Im Februar 2023 lehnte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Klage eines schwedischen Unternehmens auf Kurzarbeitergeld für seine in Berlin ansässige Arbeitnehmerin in zweiter Instanz ab. Aus dem Urteil folgt nicht, dass solche Anträge ausländischer Arbeitgeber immer abgelehnt werden. Sie müssen jedoch bestimmte Bedingungen erfüllen – und korrekt gestellt werden.

Das Stockholmer Unternehmen war auf Beratung zu internationaler Expansion spezialisiert. Seine Berliner Mitarbeiterin, die in Deutschland keine weiteren Kolleginnen oder Kollegen hatte, beriet Mode- und Kosmetikhändler, die von Deutschland aus in neue Märkte expandieren oder aus dem Ausland den Vertrieb in Deutschland aufbauen wollten. Ihr Arbeitsverhältnis unterlag deutschem Arbeitsrecht, sie zahlte hier auch Sozialversicherungsabgaben.

2020 sorgte die Corona-Krise 2020 für Einbrüche im Einzelhandel damit auch für die Expansionsberatung. Der schwedische Arbeitgeber wollte für seine Berliner Angestellte Kurzarbeitergeld. Die Berliner Agentur für Arbeit lehnte den Antrag ab. Begründung: Der Betriebssitz des Arbeitgebers liege im Ausland, auch eine Betriebsabteilung sei in Deutschland nicht erkennbar.

Die Arbeitsagentur vermisste eine „eigene institutionelle Leitung, die die Durchführung der arbeitstechnischen Zwecke steuert und dabei den Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich wahrnimmt“. (Ausführliche Details zur Sichtweise der Agentur werden in Teil 3 der „Fachlichen Weisungen Kurzarbeitergeld“ zu den „betrieblichen Voraussetzungen“ behandelt.)

 

Es kommt auf die Betriebsabteilung an

Der schwedische Arbeitgeber ging vor Gericht. Vor dem Sozialgericht Berlin-Brandenburg als erster Instanz hatte er Erfolg: es verurteilte die Arbeitsagentur zu einem Anerkennungsbescheid. Schon aufgrund der Entfernung zwischen Berlin und Stockholm könne man nicht von einem einheitlichen Betrieb ausgehen, dessen Betriebssitz in Schweden liege. Vielmehr sah das Sozialgericht eine Betriebsabteilung in Berlin und damit die betrieblichen Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld als gegeben.

Dagegen legte die Agentur für Arbeit beim Landessozialgericht erfolgreich Berufung ein. Die zweite Instanz verwarf den Antrag des schwedischen Arbeitgebers auf Kurzarbeitergeld für die Berliner Angestellte (LSG Berlin-Brandenburg, 15.02.2023 - L 18 AL 46/22).

Entscheidend war für das LSG ein einfacher formaler Fehler: Im Antrag war irrtümlich nicht beim Feld „für die Betriebsabteilung“ ein Kreuzchen gesetzt worden, sondern für den Gesamtbetrieb. Da der in Schweden liegt, war der Antrag damit Makulatur.

„Lediglich ergänzend“ wiesen die Richter darauf hin, dass sowieso keine Betriebsabteilung in Berlin existiert habe. Der Begriff einer Betriebsabteilung ist weder im Arbeitsrecht noch im Sozialrecht gesetzlich definiert. Die Gerichte gehen davon aus, eine Betriebsabteilung ein organisatorisch klar erkennbar eigenständiger Unternehmensteil sein muss. Der schwedische Arbeitgeber hätte belegen müssen, dass die Ein-Frau-Operation in Berlin eine solche abgegrenzte Betriebsabteilung war. Aus der Urteilsbegründung gehen zwei Kriterien hervor, die offenbar entscheidend gewesen wären:

  • In Berlin hätte ein dauerhaft eingerichteter Standort existieren müssen. Das hätte zum Beispiel durch eine entsprechende Arbeitsort-Klausel im Arbeitsvertrag belegt werden können.
  • Das Dienstleistungsangebot in Berlin hätte sich vom allgemeinen Leistungsspektrum des Unternehmens unterscheiden müssen, etwa durch klare Zuordnung von bestimmten „kaufmännischen, technischen und personellen Maßnahmen und Planungen“ zu den Berliner Aktivitäten. Die räumliche Entfernung nach Stockholm allein genügte nicht.

 

Fazit: der Anspruch auf Kurzarbeitergeld ist für ausländische Arbeitgeber möglich – aber kein Selbstläufer

Auch wenn der schwedische Arbeitgeber mit seinem Kug-Antrag gescheitert ist, muss das nicht für andere ausländischen Arbeitgeber gelten, die in Deutschland Beschäftigte, aber keine Niederlassung haben. Es lohnt sich jedoch, vor dem Antrag die eigene Struktur zu prüfen.

In der Entscheidung des Landessozialgerichts scheint anzuklingen, dass man keinen Kug-Anspruch gewähren will, wenn der in Deutschland tätige Mitarbeiter des ausländischen Unternehmens nur quasi zufällig und für eine Weile hier arbeitet, eigentlich auch von woanders aus tätig werden könnte und vielleicht demnächst wieder weg ist.

Voraussetzung ist deshalb eine Betriebsabteilung und damit ein gewisser organisatorischer Zuschnitt sowie ein Minimum an eigener Infrastruktur in Deutschland. So gesehen können bereits die Stellen- oder Positionsbeschreibung und das interne Organigramm wichtig werden, ebenso die Formulierungen im Arbeitsvertrag.

 

Keine Einwände wegen Verfassungs- oder Unionsrecht

Eine Absage erteilte das LSG Berlin-Brandenburg dem juristischen Einwand, die geforderte Betriebsabteilung in Deutschland verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot.

Begründet wird dieses Argument damit, dass Arbeitnehmer, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahlen müssen, nicht vom so finanzierten Kurzarbeitergeld profitieren, und das nur deshalb, weil ihr Arbeitgeber eine bestimmte Betriebsorganisation nicht umsetzt.

Außerdem wird oft darauf verwiesen, dass die Betriebsstätten-Voraussetzung Arbeitgeber aus dem EU-Ausland und ihre Arbeitnehmer diskriminiert und deshalb möglicherweise gegen die im Unionsrecht festgeschriebene Arbeitnehmerfreizügigkeit verstößt. Auch davon ließen die Berliner Richter sich nicht überzeugen.

 

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